Montag, 18. Dezember 2017

Minimalismus und KonMari - wann ist man fertig? - Teil 3

Wann bin ich eigentlich Minimalist?

Neben meinen eigenen Erfahrungen beim stetigen Ausmisten oder "minimalisieren" folge ich auch einigen Youtube-Kanälen zum Thema Minimalismus. Hier beschreiben die Youtuber ihre eigenen Erfahrungen auf ihrem Weg zum Minimalismus und in den Kommentaren entstehen manchmal sehr interessante Diskussionen. 
Sehr bedenklich finde ich es aber, wenn sich die Leute darüber streiten, ab wann man ein Minimalist oder eine Minimalistin ist. "Du hast ja noch so viele Sachen, Du bist kein Minimalist!" Mittlerweile traut sich fast niemand mehr, sich als Minimalist zu bezeichnen. Ich finde das sehr schade. 

Minimalismus messe ich nicht an der reinen Anzahl von Dingen. Minimalismus steht für mich für eine mentale Einstellung, beispielsweise zu seiner persönlichen Beziehung zu Gegenständen, zum eigenen Konsumverhalten, zum eigenen Umgang mit Zeit oder zum Thema nachhaltiger Umgang mit unseren Rohstoffen. Viele Minimalisten entscheiden sich für eine vegane Ernährung - andere nicht. 

Ich finde, jeder muss für sich seine eigene Grenze finden, mit der er glücklich und zufrieden ist. 
Gerade die sog. Minimalisten, die sich fast obsessiv damit beschäftigen, wie viele Teile sie besitzen, haben das Prinzip meiner Meinung nach nicht verstanden. 
Es geht für mich eher darum, dass Dinge oder Materielles nicht mehr so einen Raum in meinem Leben einnehmen. Dass ich mich nicht mehr damit identifiziere, was ich tolles oder teures besitze. Und schon gar nicht darüber, wie wenig ich besitze. 
Ich möchte unnötige Dinge aus meinem Leben entfernen, die Platz (und Miete) verschwenden und die mich Zeit für ihre Pflege kosten oder die mich durch ihre pure Anwesenheit ablenken. Durch einen für mich angemessenen Minimalismus möchte ich mir mehr Zeit und Energie verschaffen für die wichtigen Dinge im Leben. Weniger Putzen, Aufräumen und Entscheidungen treffen - mehr Geld, Energie und Zeit für Menschen oder Hobbies. 

Wann ist man fertig mit Ausmisten?

Das ist dann auch meine Grenze zum Entrümpeln und Reduzieren. Dann, wenn ich anfangen würde, Dinge aus meinem Leben zu verbannen, nur um zum Beispiel unter 100 Gegenstände zu kommen, damit ich mich einen "richtigen Minimalisten" nennen darf, obwohl mir diese Dinge eigentlich Freude bereiten oder mein Leben bereichern.

Jeder muss für sich seine persönliche Grenze finden. Wenn jemand den Lebenstraum besitzt, so wenig zu besitzen, dass alles in einen Rucksack passt, damit er oder sie jederzeit die Welt bereisen kann, dann ist das die persönliche Grenze dieser Person. Wenn jemand aber zum Beispiel Künstler oder Handwerker ist (egal ob Beruf oder Hobby), dann erhöht die Anzahl der dafür benötigten Utensilien automatisch die persönliche Grenze dieser Person. Wenn sie eine minimalistische Lebensphilosophie besitzt, dann soll sie sich meiner Meinung nach auch als Minimalist bezeichnen dürfen.

Ausmisten kann süchtig machen!

Mir ist noch ein anderer Trend aus Erfahrungsberichten aufgefallen, den ich gut nachvollziehen kann: Der positive Gefühlsrausch, den man nach einer Ausmist-Aktion haben kann, kann süchtig machen. Irgendwann hat man alles durchforstet - vielleicht schon zum zweiten oder dritten Mal. Es ist ja ein Prozess, der sich über einen längeren Zeitraum ziehen kann, in dem man auch erstmal lernen muss, sich von Dingen zu trennen. Mit der Zeit fällt es einem leichter und man wird mutiger und zuversichtlicher, dass man die richtige Wahl trifft. 
Manche berichten dann, dass sie zu spät aufgehört haben und es mittlerweile bereuen, dass sie dadurch viele nützliche oder persönlich wertvolle Dinge entsorgt haben. Ich musste gestern schmunzeln als eine Youtuberin erzählt hat, dass sie als ehemalige Handtaschensammlerin am Ende eine Einkaufstüte als Handtasche benutzen musste, weil sie alles radikal weggegeben hatte. Sie hat sich dann wieder eine Tasche für die Schule kaufen müssen, weil es sich als wenig praktikabel für sie rausgestellt hat.

Minimalismus und seine Grenzen

Manche Menschen fühlen sich von ihrem Besitzt förmlich "erschlagen" und wünschen sich mehr Freiraum - durch weniger Gegenstände aber auch durch weniger Verpflichtungen, die damit verbunden sein können. Der Ausmistprozess führt mit jeder Aktion erst Mal zu Glücksgefühlen durch die Erleichterung und das Erfolgserlebnis. 
Aber mit der Zeit werden die aussortierten Mengen immer kleiner und seltener und damit verbunden auch die Ausschüttung von Glückshormonen. Wenn man dann "endlos" versucht mehr und mehr Dinge in der Wohnung zu finden, kann das Glücksgefühl in Unzufriedenheit umschlagen. Es kommt dann vielleicht auch häufiger vor, dass man bereut, etwas weggegeben zu haben. 

Um dies zu verhindern, versuche ich diesen Ausmistprozess über längere Zeit zu ziehen. Langsam. Nach und nach. Kategorie für Kategorie. Dann wird man nicht so leicht mitgerissen und kann eher in sich hineinspüren, wann es genug ist.


Der schwierigste Teil: Was mache ich jetzt mit der gewonnenen Zeit und Identität?

Stell Dir nun vor, Du hast allen Ballast abgeworfen. Hast sogar Dein Fantasy-Self in die Wüste geschickt (beschrieben im letzten Artikel). Was nun? Wohin mit Deiner Zeit, Aufmerksamkeit und Energie? 
Ich glaube, hier kann für manche die "Katerzeit" beginnen. Manche Menschen sind es nicht gewohnt, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Jetzt kann man sich nicht mehr hinter seinen Sachen "verstecken" oder sich mit sinnlosen Käufen online oder in Geschäften ablenken. Man hat Zeit. Man könnte jetzt in die Falle alter Verhaltensmuster tappen: zum Beispiel wieder shoppen gehen oder man könnte jetzt anfangen, die Dinge anderer Leute auszumisten (Partner oder Eltern). Aber war das Sinn der Sache? Ich denke, hier steckt die Chance, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Etwas für seine Gesundheit zu tun oder wieder mehr Zeit mit seinen Liebsten zu verbringen. Oder sich für andere zu engagieren. Die Glücksforschung zeigt ganz klar, dass es uns selbst glücklich macht, anderen zu helfen. 
Ich denke, dass Minimalismus nicht das Allheilmittel für alle Probleme ist (so wie es manche darstellen), es ist eine Haltung, die Techniken enthält, unser Leben zu vereinfachen. Aber dann beginnt die eigentliche Arbeit erst, auch etwas Sinnvolles oder Positives mit seiner Zeit anzufangen.

Hör also immer mal zwischendurch in Dich hinein, ob Du noch auf dem richtigen Weg bist und es Dir gut tut. Denn auch in diesem Sinne: Weniger ist mehr...

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